Auf dem Weg zum Drucken des Gehirns
"Die hohe Auflösung der Zwei-Photonen-Polymerisation ermöglicht es, Details im Mikro- und Nanometerbereich zu drucken und eignet sich daher sehr gut für die Darstellung von Hirnnerven".
Medizinische Universität Wien
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist zu einem unverzichtbaren Instrument für die Untersuchung des lebenden menschlichen Gehirns sowohl in der Forschung als auch im klinischen Bereich geworden. Eine Einschränkung ist jedoch die Schwierigkeit, MRT-Befunde anhand bekannter Goldstandards zu validieren. Jetzt hat ein europäisches Forscherteam eine bahnbrechende Lösung gefunden: Mit Hilfe des hochpräzisen 3D-Drucks können biomimetische "Gehirnphantome" hergestellt werden, die als Referenzmodelle für die Validierung von MRT-Techniken wie der Diffusions-MRT (dMRI) dienen können. Ihre Arbeit, die in der Zeitschrift Advanced Materials Technologies veröffentlicht wurde, zeigt ein erhebliches Potenzial für die Weiterentwicklung der MRT als nicht-invasive Sonde für die Struktur und Konnektivität des Gehirns.
Die Validierung von Neuroimaging-Ergebnissen ist von entscheidender Bedeutung, stellt jedoch eine Herausforderung dar, da die Durchführung echter "Goldstandard"-Vergleiche an ein und derselben Hirngewebeprobe mit mehreren, zum Teil invasiven Methoden ethisch bedenklich ist. Um dieses Problem zu lösen, entwerfen Forscher vereinfachte künstliche Testobjekte, so genannte "Phantome", die die Gewebeeigenschaften nachahmen. Mit den herkömmlichen Methoden zur Herstellung von Phantomen konnten jedoch nicht die Kombinationen aus kleinen Merkmalen, strenger Kontrolle der Mikrostruktur und großen Probenabmessungen erreicht werden, die für Experimente in menschlichen MRT-Scannern erforderlich sind.
Hier kommt der 3D-Druck mit Zwei-Photonen-Polymerisation (2PP) ins Spiel. 2PP gilt als Stand der Technik in der additiven Fertigung im Mikro- und Nanobereich und erreicht eine außerordentlich hohe Auflösung, indem es mit ultraschnellen Laserpulsen feste Objekte mit einem Durchmesser von nur wenigen Mikrometern Schicht für Schicht aus flüssigem Harz formt. Mit konventionellem 2PP hergestellte Strukturen waren jedoch auf eine Größe von wenigen hundert Mikrometern beschränkt.
Das Forscherteam der Medizinischen Universität Wien und der TU Wien hat diese Einschränkung durch mehrere Strategien überwunden. Erstens montierten sie das Photoresin direkt auf das Fokussierobjektiv des 3D-Druckers und senkten es schrittweise ab, so dass die Strukturen höher gebaut werden konnten. Zweitens druckten sie in aufeinanderfolgenden "Kachelbereichen", um Bausteine zusammenzufügen, die sich über größere xy-Bereiche erstrecken. Durch die Kombination dieser Techniken erzielten sie Phantome mit Abmessungen im Millimeterbereich - groß genug für ein menschliches MRT - und behielten gleichzeitig mikroskalige Merkmale mit einem Durchmesser von nur 12 μm bei, vergleichbar mit Axondurchmessern in der weißen Substanz.
Unter Verwendung des optimierten 2PP-Verfahrens stellte das Team zwei Phantome her, die den Nachweis des Konzepts erbrachten. Das "Sandwich"-Phantom enthielt parallele Kanäle in drei abwechselnd angeordneten Schichten, während das "Wafer"-Phantom Reihen von Kanälen enthielt, die abwechselnd in zwei senkrechten Richtungen in jedem Voxelvolumen angeordnet waren. Beide Phantome enthielten jeweils über 14 000 Einzelkanäle, um die Dichte der menschlichen weißen Substanz zu imitieren und ein angemessenes Signal für die MRT zu liefern.
Bildgebung und Analyse ergaben, dass die 2PP-Phantome mit der MRT kompatibel waren und angemessene anisotrope Diffusionssignaturen lieferten. Innerhalb jedes Phantoms identifizierte die voxelweise Ball-and-Stick-Modellierung die vorgegebenen Kanalorientierungen korrekt. Bei der Verarbeitung mit Faserverfolgungsalgorithmen stimmten die Ergebnisse mit den geplanten parallelen und sich kreuzenden Anordnungen überein. Messungen bestätigten, dass die Materialien vernachlässigbare Magnetfeldverzerrungen verursachten.
Diese ersten Phantome dienen nicht nur zur Demonstration der 2PP-Druckfähigkeiten, sondern eröffnen auch Möglichkeiten zur Verbesserung der dMRI-Validierung. Zukünftige Arbeiten könnten gekrümmte oder sich küssende Fasergeometrien einbeziehen, die der Komplexität der menschlichen weißen Substanz besser entsprechen. Jedes maßgeschneiderte Phantom würde dann als Basiswahrheit dienen, mit der die MRT-Ergebnisse verglichen werden könnten. Eine derart enge Kontrolle der mikrostrukturellen Parameter war bei dMRI-Phantomen bisher noch nie möglich.
Den Forschern zufolge setzen ihre Ergebnisse neue Maßstäbe für die Konstruktion von biomimetischen 3D-Gerüsten. Die Vielseitigkeit der 2PP-Fertigung ermöglicht es, praktisch jede beliebige Axonbahngeometrie mit einer Präzision nachzubilden, die der von echtem Nervengewebe nahe kommt. Mit weiteren Optimierungen könnten noch größere und anatomisch genauere Hirnphantome erreicht werden.
Solche Phantome ermöglichen eine genaue dMRI-Groundtruth-Modellierung und haben damit weitreichende Auswirkungen. Sie werden die Bemühungen zur Bestimmung der Sensitivität und Spezifität bei der Erkennung von Krankheitszuständen oder Unterschieden auf der Grundlage der Mikrostruktur der weißen Substanz verbessern. Vor allem könnten sie spezielle Analysetechniken wie die Kartierung der Traktographie der weißen Substanz validieren, was heute ohne kontrollierte Testfälle schwierig ist. Dies würde die Argumente für klinische Anwendungen stärken und die reproduzierbare neurowissenschaftliche Forschung fördern. Letztendlich stellen die neuen Hirnphantome eine greifbare Verbesserung für die nichtinvasive Untersuchung der Konnektivität des menschlichen Gehirns mittels MRT dar.
Durch den kreativen Einsatz von hochentwickeltem 3D-Druck stellt diese Forschungsarbeit eine bedeutende technische Errungenschaft dar und bietet einen Rahmen für die Bewältigung der wichtigsten Validierungsanforderungen im Bereich der Diffusions-MRT. Durch die Herstellung präziser biomimetischer Gewebemodelle mit beispielloser Kontrolle über die mikrostrukturellen Eigenschaften wird eine entscheidende Grundlage geschaffen, die den Fortschritt bei der Entwicklung und Anwendung dieser leistungsstarken Neuroimaging-Methode beschleunigen dürfte. Nachdem sie nun die Machbarkeit und den Nutzen von hochauflösenden Hirnphantomen gezeigt haben, die durch 3D-Druck mit Zwei-Photonen-Polymerisation hergestellt wurden, planen die Forscher, den Ansatz zu verfeinern, damit sein volles Potenzial ausgeschöpft werden kann. Ihre Arbeit ist ein Beispiel dafür, wie Technologien, die einst als zu begrenzt galten, auf geniale Weise angepasst werden können, um neue wissenschaftliche Möglichkeiten zu eröffnen.
Hinweis(e)
- Michael Woletz, Franziska Chalupa-Gantner, Benedikt Hager, Alexander Ricke, Siawoosh Mohammadi, Stefan Binder, Stefan Baudis, Aleksandr Ovsianikov, Christian Windischberger, Zoltan Nagy. Auf dem Weg zum Drucken des Gehirns: Ein mikrostrukturelles Ground Truth Phantom für MRI. Advanced Materials Technologies, 2024; 9 (3) DOI: 10.1002/admt.202300176
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